[G8] Kriminalisierung und Übergriffe gegen Proteste

Zusammenfassung 07.07.2005 13:53 Themen: G8 Globalisierung Repression
Nach den erfolgreichen Aktionen von gestern (siehe Überblick), sollen nun sämtliche Proteste gegen den G8-Gipfel im Keim erstickt werden.
Im Laufe der letzten Tage wurden mehrere hundert Menschen wahllos festgenommen, von denen nun viele mit konstruierten Anklagen "Rädelsführerschaft" angehangen werden sollen. Darunter sind auch viele Aktivisten aus Deutschland. Dabei wurden auch gezielt Leute herausgegriffen, die in den Infopoints übernachtet haben oder medienaktivistisch aktiv waren. Überall in Glasgow und Edinburgh gehen willkürliche Verhaftungen auf den Straßen weiter.
Das Eco-Village in Stirling, wo etwa 5000 Leute übernachten ist seit letzter Nacht von Polizei eingekesselt und unter Ausnahmezustand gestellt. Nur vereinzelt darf das Camp verlassen, wer sich durchsucht.
Die Berichte in der deutschen Mainstreampresse über die Proteste beschränken sich das Abtippen der Polizeierklärungen und reisserische Überschriften über angebliche Riots von angeblichen Krawallmachern aus ganz Europa.

Zusammenfassungen von Indymedia.uk


Verhaftet für das Spielen von Musik? Sambatrommler beim G8 kriminalisiert und angeklagt

Am Montag, dem 4.Juli wurden 3 Sambamusiker beim "Carnival for Full Enjoyment" in Edinburgh (als der friedliche Karneval von der Polizei brutal angegriffen wurde) verhaftet. Diese Leute, die nichts weiter taten, als Musik zu spielen, finden sich nun im Gefängnis wieder, angeklagt wegen "Rädelsführer von Riots" und "Ruhestörung". Das globale Netzwerk der Samba-Bands "Rhythms Of Resistance" hält diese Verhaftungen für unverhältnismässig und plant Solidaritätsaktionen.


Es sollte ein bunter Karneval werden


...doch die Leute werden von der Polizei brutal auseinandergetrieben. In der deutschen Mainstream-Presse und in rechten britischen Zeitungen ist am Abend von "Riots" und "randalierenden Chaoten" zu lesen.


Die Jagd beginnt...


Die Polizei setzt auch Teleskopschläger (sog. "Totschläger") ein und schlägt gezielt auf Köpfe, was zu zahlreichen Verletzten (teilweise schwer) führt ...(siehe Foto: Blut auf dem Boden)..


irgendwann beginnen einige Leute sich zu wehren...


mehrere hundert Menschen werden grundlos und willkührlich eingekesselt

Während des "Carnival for Full Enjoyment" wurde die Sambaband in der Canning Street von Polizei eingekesselt. Ohne jegliche Begründung wurde die Gruppe stundenlang im Kessel gehalten. Als einige Protestler den Ort einzeln verlassen durften, wurden willkürlich und zufällig 7 Musiker aus der Gruppe gezogen und verhaftet. Drei von ihnen sind immer noch im Gefängnis, am Dienstag wurden dazu noch 2 Tänzer verhaftet.
Rhythms Of Resistance ist ein wachsendes internationales Netzerk von Trommlern und Tänzern, die nach einer sozialeren und ökologischeren Welt streben. Die Gruppen kamen nach Schottland, um ihre Ideale beim G8-Gipfel zu verfolgen. DieBands sind entsetzt, daß in einer "demokratischen" Gesellschaft Schlagzeugspielen mit Randale-Anführerschaft gleichgesetzt werden, obwohl die Kriminalisierung von politischen Sambabands nichts Neues ist.
Während der nächsten Tage werden die Sambaistas Aktionen zur Unterstützung ihrer verhafteten Freunde vor den Gefängnissen spielen. Sie wollen Aufmerksamkeit für ihre Fälle durch öffentliche Aufführungen erreichen...
Unterschrieben ist der Artikel von Rhythms Of Resistance Aachen, Amsterdam, Berlin, Bremen, Ghent, Helsinki, Leeds, London, Maastricht, Manchester, Oxford, Paris, Sheffield, Torino



Tag 2 des G8 - Kessel um das Ecovillage

In einem Versuch, die Proteste in Schottland zu verhindern, hat die Polizei das Camp im Stirling (das Ecovillage) eingekesselt und den Parkplatz durchsucht. Trotzdem gehen inzwischen die Proteste gegen das G8 überall weiter.


das Ecovillage beim Aufbau

09:05: Leute dürfen das Camp alleine oder in 2er, bzw. 3er-Gruppen verlassen, wenn sie sich nach dem Section-60-Order-Paragraphen nach Waffen durchsuchen lassen. Fälschlicherweise behauptet die Polizei dabei, daß die Leute ihre namen und Adressen anzugeben hätten (Infos über Section 60)
08:42: Die Belagerung des Ecovillage geht weiter....
04:18: Im Camp ist die Atmosphäre ruhig, die Leute tanzen und spielen Musik.
04:08: Das Camp erwacht und die Polizei befindet sich weiter am Camp, ohne daß sie das Camp betreten hätten. Der Tag beginnt und das Indymediacenter hat seine Terminals weiter offen, damit die Leute berichten können.
03:26: In einem Statement bestätigt die zentrale Polizeipressestelle von Schottland, daß gegen 2:30 die Polizei einen "Sicherheitskessel" (!) um das Camp errichtet habe, aber nicht plane, das Camp zu stürmen. Außerdem dürfe jeder das Camp verlassen, wenn er friedlich sei.
03:17: Die Polizei sagt, daß sie nicht die Absicht habe, das Camp zu betreten, aber die Aktivisten am Verlassen des Camps hindern wird. Die Polizei durchsucht derweil die Umgebung mit Scheinwerfern.
03:00: 26 Polizeifahrzeuge parken direkt um die Ecke
02:30: Die Polizei kesselt das Ecovillage ein. Eine Linie hat sich am Haupttor formiert.



Kriminalisierung der Infopoints läuft an (Bericht von vor Ort)

Während die Proteste in Schottland autonom von Kleingruppen organisiert und durchgeführt wurde, versucht die britische Justiz und Polizei, daraus organisierte Kriminalitaet abzuleiten und den Dissent!-Infopunkt für die "Riots" in Edinburgh verantwortlich zu machen.
Bereits im Vorfeld der Proteste wurde in den Medien das Dissent!-Netzwerk als Anlaufstelle fuer Gewaltbereite diskreditiert - nun zieht auch die britische Justiz nach und nahm ohne grossartige Erkenntnisse Leute fest, die sich längere Zeit in dem Infopunkt aufgehalten, dort geschlafen und mitgeholfen haben.
Ihnen, darunter bisher bestätigt 4 Deutsche, ein Schweizer und eine nicht näher bekannte Zahl an Italienern, wird nun Anstiftung und Führung von Aufständen (Leadership of Riots) vorgeworfen.
Bereits am Wochenende wurde der Infopunkt von einer Informationseinheit der Polizei besucht, die diesen betreten wollte, um drinnen Fotos zu schiessen und alles abzufilmen. Das konnte jedoch von den Anwesenden verhindert werden und die Polizei bekam keinen Zutritt zum Infopunkt. Daraufhin begannen sie, von aussen Fotos durch das Fenster zu schiessen, um Leute identifizieren zu können etc.. Die Reaktion des Infopunktes, daraufhin die Fenster etc. zuzuhängen, ist eine logische Konsequenz daraus. Anhand dieser Fotos sind dann wohl am Montag in Edinburgh Leute gezielt gesucht und verhaftet worden, die sich ausserhalb des Infopunktes aufhielten - speziell im ersten Kessel wurden sie von Polizeistosstrupps aus der Menge gezogen, das wahllose Herrausziehen, nach dem es am Montag noch aussah, scheint nun doch nicht mehr so wahllos zu sein. Andere Möglichkeit der Festnahmen könnte der versuchte (und leider gescheiterte) Durchbruch sein, der daran scheiterte, daß eine Person im Kessel in Ohnmacht fiel und so der Durchbruch abgebrochen wurde um diese Person nicht weiter zu gefährden. Dabei jedoch haben die festgenommenen Personen laut Augenzeugenberichten nicht in der ersten Reihe oder ähnliches teilgenommen, sondern sich mehr im Hintergrund gehalten.
Einer der festgenommenen Personen, die seit diesem Vorfall in Untersuchungshaft sitzt, wurde inzwischen durch zwei sie belastende Polizisten bestätigt, dass sie schon "laengere Zeit" unter Beobachtung steht. Doch eine Rädelsfuehrerschaft daraus abzuleiten, dass Leute im Infopunkt sich aufgehalten haben, bei logistischen Problemen aushalfen und auch dort übernachteten, ist wohl fuer jeden äusseren Betrachter nicht nachvollziehbar.
Für die Polizei und die Justiz ist dieses Konstrukt allerdings ausreichender Beweis, so dass sie nach wie vor in Untersuchungshaft sitzen und auf ihre Verhandlung warten. Laut Aussage des Anwalts ist es unwarscheinlich, dass die Personen vor Verhandlungen auf freien Fuss kommen, egal wie wackelig das Konstrukt ist. Die ersten Verhandlungen sollen nächste Woche beginnen...
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Ergänzungen

Weitere Updates aus Stirling

Zusammenfassung 07.07.2005 - 13:59
11:54 150-200 Bereitschaftspolizei nahe am Camp - evtl. Schichtwechsel. 20 Polizisten bewegen sich zu Fuss Richtung Stirling. Sirenen sind aus Stirling zu hören...


Quelle: confirmed-news aus dem indymedia-dispatch

Falsch

... 07.07.2005 - 14:15
"Die Polizei setzt auch Teleskopschläger (sog. "Todschläger")"

Ein Teleskopschlagstock ist kein Totschläger.

Repression läuft jedesmal gleich ab

remember 07.07.2005 - 14:24
Jedesmal läuft die Repression gegen Gipfel-Proteste gleich ab. Von der "Terroristen und Autonome wollen unser Dorf zerstören" im Vorfeld, bis zu den obligatorischen Übergriffen/Einkesselungen der Übernachtungsorte und der Infopoints und den Anschliessenden Falschinfos in der Presse. Beschlossen wurde dies Vorgehen damals beim Innenministertreffen in Salzburg - ein paar Wochen vor dem G8 in Genua und dem EU-Gipfel in Göteburg. Die Repression steht also immer im vornherein fest. Von daher wäre es sinnvoll, sich neue Aktionsformen zu überlegen, die einen vielleicht weniger angreifbar machen.

nicht ganz falsch...

Klugscheisser 07.07.2005 - 15:16
Teleskopschlagstock
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Teleskopschlagstock ist ein, in der Regel aus Stahl gefertigter Schlagstock, der sich ähnlich einer Teleskop-Antenne auf seine volle Länge auseinanderziehen lässt..

Meist besteht er aus 3 Teilen, wobei das dickste Mutterstück meist, für einen besseren Halt, gummiert ist. Der Teleskopschlagstock ist im eingefahrenen Zustand leicht zu transportieren.

Dreiteilige Teleskopschlagstöcke aus Gummi, mit einer in den Gummi eingelassenen Bleikugel am vorderen Ende, gehörten zur Ausrüstung der Sicherheitskräfte (zum Beispiel der VP-Bereitschaften) der DDR.

Teleskopschlagstöcke sind in Deutschland bisher nicht verboten. Ein Teleskopschlagstock mit einer am Ende befestigten Kugel (Totschläger) ist dagegen verboten.

d.h. wenn die Cops Totschläger verwendet haben sollten, wäre die Aussage richtig: Jeder Totschläger ist zwingend ein Teleskopschlagstock.

naja

Lust am klugscheissen... 07.07.2005 - 21:07
hier nochmal die ergebinisse meiner recherche ;)

Freilassung Inhaftierter

KOMan 08.07.2005 - 01:09
Heute Nachmittag ist ein Teil der Inhaftierten wieder freigelassen worden. Die Gerichte zeigten sich bei den mir bekannten Faellen pragmatisch: Die Entlassung erfolgte unter der Auflage, Schottland noch am selben Tag zu verlassen.

Das Camp in Stirling hat sich am Nachmittag deutlich geleert, nachdem es nochmals fuer etwas mehr als eine Stunde von der Polizei abgesperrt wurde.
Grund war eine nicht mit der Polizei im Vorwege abgesprochene Solidaritaetsdemo zum Gefaengnis von Stirling. Diese Demo durfte das Gelaende nicht verlassen, moeglicherweise weil sich angeblich bereits eine groessere Zahl Personen vor dem Gefaengnis aufhielt.

Der Demontration war eine stundenlage Diskussion des gesamten Camps vorangegangen, in der vor allem fuer ein deekalierendes und zurueckhalendes Verhalten gesprochen wurde, aus Ruecksichtnahme auf die Opfer der Anschlaege in Lonndon. Im Anschluss wurde eine Presseerklaerung verfasst und verabschiedet.

Der Abend im Camp verlaeuft nun verhaeltnismaessig ruhig, die Menschen sitzen zusammen und reden und es gibt mehrere Gruppen, die Musik machen. Am Eingang wurde eine kleine Ecke mit Kerzen eingerichtet, und auf der Zufahrt zum Parkplatz haben Campteilnehmer Blumen abgelegt.

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