Sechs Satelliten sollen Flüchtlinge aufspüren

Spanien und neun EU-Länder haben überdies vereinbart, den Seeweg von Afrika zu den Kanarischen Inseln zu überwachen

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Die Universität der spanischen Kanarischen Inseln hat mit der Firma Spot Image ein Pilotprojekt zur Überwachung vorgestellt. Über MariSS (Maritime Security Services) sollen sechs Satelliten kombiniert werden, um die Boote mit Flüchtlingen und Einwanderern aufzuspüren, die sich aus Mauretanien und dem Senegal derweil zu Hunderten auf den Weg zu den spanischen Inseln machen. Optische Überwachung soll dabei mit Radarüberwachung kombiniert werden. Die Aufrüstung wird die Menschen Schlepperbanden in die Hände treiben. Auch Deutschland nimmt an der Abschottung der Inseln teil.

Die spanische Regierung hatte den Einsatz von Satelliten angekündigt, um Flüchtlinge und Einwanderer auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln abzufangen (Mit Satelliten gegen Einwanderer). Wie das bewerkstelligt werden kann und wer die Überwachung gewährleisten soll, war bisher unklar, nimmt aber nun Konturen an. Die Firma Spot Image habe mit der Universität von Las Palmas ein Pilotprojekt bei der kanarischen Regionalregierung und der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) vorgelegt, um die kleinen Boote, auch „Cayucos“ genannt, aufzuspüren, wenn sie sich auf dem bis zu 1.200 Kilometer langen Weg machen. Das berichtet die Tageszeitung El País, die auch als Sprachrohr der sozialistischen spanischen Regierung bezeichnet werden kann. Mittlerweile meldet dies auch El Mundo. Weder auf den Webseiten der Regionalregierung noch auf denen der ESA sind bisher Hinweise darauf zu finden.

Die Fernerkundungssatelliten von SPOT sind geeignet dafür, um die Boote aufzuspüren. Als erster Satellit war SPOT 01 im Februar 1986 von Frankreich in die Umlaufbahn gebracht worden. Später folgten SPOT 02, SPOT 03 (1990), SPOT 04 (1998) und SPOT 5 (Mai 2002). An der Überwachung sollen allerdings nur Spot 02, 04 und 05 teilnehmen, damit täglich frische Informationen vorliegen, weil sie jeweils alternierend an drei Tagen über die Zone fliegen. Mit den drei französischen Satelliten soll der taiwanesische Formosat kooperieren, damit die überwachte Zone größer ist. Da es sich dabei nur um optische Systeme handelt, die Nachts und bei wolkigem Himmel blind sind, soll auch der kanadischen Radarsat und der ESA-Satellit Asar/Envisat zugeschaltet werden. Die sind mit Radarsystemen ausgestattet, die auch dann noch Daten liefern. Allerdings kommen sie nur alle drei Tage über die betroffene Zone. „Da die Cayucos sich etwa fünf Tage auf hoher See befinden, haben wir große Chancen, sie aufzuspüren, bevor sie nach Spanien kommen“, erklärte Antonio Ramos. Er ist Professor der Universität an der Fakultät für Meereswissenschaften und hat das Projekt mit angestoßen.

Die Satelliten könnten anhand von 28 Merkmalen Objekte auf dem Meer identifizieren. Ein normales Cayuco, mit einer Länge von etwa 20 Metern, würde mindestens acht Pixel auf den Bildern darstellen. Sie könnten über Daten, wie Umfang, Symmetrie, Kielwasser, Größe Geschwindigkeit und Route, maschinell erkannt werden. Die Daten in den GPS-Navigationsgeräten, welche die Guardia Civil bei den aufgebrachten Booten beschlagnahmt hat, würden auch weiter helfen: „Damit können wir die Route bestimmen.“ Man werde die Cayucos in die Bilddatenbank aufnehmen und die Bilderkennung damit versorgen: „Will heißen, dem Satellit genau sagen, was er zu suchen hat“, führte Ramos weiter aus.

Die Folge zunehmender Überwachung wird zu weiterem Wettrüsten führen

So ist leicht vorauszusagen, dass auch die andere Seite aufrüsten wird. Bisher haben alle Abschottungsversuche stets zu einer Anpassung geführt, welche die Überfahrt aber stets gefährlicher machte. Nachdem spanische Südküste durch den elektronischen Schutzwall (Sive) abgeschirmt wurde (Europa rüstet auf gegen Einwanderer), versuchten die Schwarzafrikaner den Weg über die Zäune in die von Marokko umschlossenen spanischen Exklaven Melilla und Ceuta. Nach dem Druck der EU auf Marokko und dessen brutalem Vorgehen, wichen sie auf Mauretanien aus. Tausende Opfer waren die Folge ("Massensterben" vor den Kanarischen Inseln).

Folgende Szenarien sind absehbar: Schlepperbanden, die auf den Strecken aus Mauretanien und nun aus dem 1.200 Kilometer entfernten Senegal, bisher kaum Bedeutung haben, werden ihren Markt sehen. Bisher lässt sich Fahrt im Cayuco von den 50-100 Menschen selbst organisieren, zumal auch mauretanische und senegalesische Fischer den Weg ins „gelobte Europa“ suchen. Das Gerücht von Schiffen, welche die Boote auf dem langen Weg versorgen, konnte bisher nicht einmal durch die Luft- und Seeüberwachung bestätigt werden.

Die Vorgänge werden zunehmend geheimer und die Einwanderer in die Arme der Schlepper getrieben, denen sie dann auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Denn finanzkräftige Schlepperbanden können Strukturen schaffen, um der Überwachung zu entgehen. Die kurze Route aus der Westsahara wird über geheime Strukturen reaktiviert. Aus Mauretanien und dem Senegal werden kleinere und schnellere Boote eingesetzt, die schwieriger aufzuspüren sind. Die italienische Küstenwache kann davon ein Lied singen, wenn es um die Abwehr albanischer Schmuggelbanden geht. In allen Varianten steigt die Gefahr für Leib und Leben bei der Überfahrt oder durch die völlige Abhängigkeit in sklavenähnlichen Strukturen, in denen die Menschen viele Jahre die Fahrt bezahlen müssen, wenn sie den gefährlichen Weg überleben. Schließlich werden auch die Preise steigen. Organisierte Kriminalität und Schlepperwesen, was man angeblich zu bekämpfen vorgibt, wird durch die Aufrüstung nur weiter gezüchtet.

Wer die Daten der Satelliten bekommen wird, ist nun auch klar. An der Abschirmung der kanarischen Inseln durch spanisches Militär wird sich, an der von der EU- Grenzsicherungsbehörde Frontex geführten Initiative (EU hilft bei der Abschottung der Kanarischen Inseln) auch Österreich, Frankreich, Italien, Großbritannien, Holland, Deutschland und Griechenland beteiligen. Das wurde heute von der spanischen Regierung bekannt gegeben und geht auf den Besuch der Vizeregierungschefin Teresa Fernandez de la Vega letzte Woche bei der EU-Kommission zurück. Der gestrige Tag ist rekordverdächtig, bis zum Nachmittag kamen in fünf Cayucos auf Teneriffa und Gran Canaria mehr als 360 Menschen an. Drei weitere wurden bei Fuerteventura und zwei in der Nähe von La Gomera gesichtet.